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Deutsche Meisterschaft im EishockeyTitel für Tobias

So dominant und emotional wie kein Team zuvor werden die Eisbären Berlin Eishockey-Meister. Das hat viel mit dem verstorbenen Tobias Eder zu tun.

Berlins Zach Boychuk präsentiert den Fans die begehrte Trophäe Foto: Andreas Gora/dpa

Köln taz | Seit Freitag sind die Eisbären Berlin wieder deutscher Eishockey-Meister, zum elften Mal in der Vereinsgeschichte. Und wer ihre Spiele in der Playoff-Final-Serie der DEL gegen die gnadenlos unterlegenen Kölner Haie verfolgt hat, dem könnte noch eine Musik im Kopf herumspuken: Der Refrain des Songs „Viva la vida“ von Coldplay, der bei Heimspielen als Berliner Torhymne gespielt wurde – und zwar fast in einer Dauerschleife.

In den letzten drei der insgesamt fünf Finalbegegnungen zwischen Berlin, dem Hauptrundenzweiten, und dem Sechsten Köln fegten die Eisbären die Haie dreimal mit 7:0 vom Eis; zuletzt am Freitag vor 14.200 Zuschauern in der ausverkauften Arena am Ostbahnhof. 27:3 lautet das Torverhältnis der Serie.

Nie zuvor war ein Team seit Einführung der Playoffs im deutschen Eishockey im Jahr 1981 so dominant, selten ein Titelgewinn so emotional. „Viva la vida“ war das Lieblingslied des Ende Januar im Alter von 26 Jahren an Krebs verstorbenen Berliner Stürmers Tobias Eder. Ihm widmeten seine Teamkollegen die Meisterschaft 2025. Die Verlobte und Angehörige des Verstorbenen waren dabei, als auf dem Eis gefeiert wurde.

„Sportlich war es eine super Saison. Aber abseits vom Eishockey war es für uns alle ein sehr schweres Jahr. Ich glaube, dass uns das alles zusammengeschweißt hat“, sagte Berlins Kapitän Kai Wissmann, der wegen einer Handverletzung die letzten vier Playoff-Spiele verpasst hatte. Jonas Müller, Wissmanns Vertreter als Captain, meinte: „Man hat gemerkt, dass wir es auch für Tobi gemacht haben. Wir haben gekämpft bis zum Ende, alles gegeben, alles reingeworfen.“

Reich und clever

Dass sie alle zusammen für Tobias Eder spielten, war einer der Gründe, die die Berliner Stärke ausmachten, aber nicht der einzige. Geld ist auch ein Faktor. Die Eisbären, die zur US-amerikanischen Anschutz-Gruppe gehören, haben einen der höchsten Etats aller 14 DEL-Mannschaften. Allerdings sind die Adler Mannheim, hinter denen ein großes Software-Unternehmen steht, und München, gesponsert von einem österreichischen Energie-Brausehersteller, mindestens genauso reich – aber längst nicht so erfolgreich. Besonders Mannheim, das im Halbfinale in vier Spielen an Berlin scheiterte, neigt dazu, Stars zusammenzukaufen, die dann aber kein Team bilden. München verlor, obwohl Startrainer Don Jackson reaktiviert wurde, im Viertelfinale gegen Mannheim.

Bei den Eisbären, die seit 2019 vom Kanadier Serge Aubin trainiert werden, kommen Geld und schlaue sportliche Planung zusammen. 2020 gab es wegen Corona keine Playoffs. 2021 und 2022 gewann Aubin mit den Eisbären den Titel. 2023 folgte eine schwache Saison mit einer Mannschaft, die nicht funktionierte, sodass die Eisbären die Playoff-Teilnahme verpassten. Überraschenderweise durfte der Trainer bleiben, und es wurde ein neues Team geformt. Das zahlte sich aus. Die Eisbären triumphierten 2024 und nun 2025 wieder – und Aubin kann von sich sagen, noch nie eine Playoff-Serie mit Berlin verloren zu haben.

Die Berliner Mannschaft ist breit aufgestellt – und lebt nicht von einem besonderen Spielsystem, sondern von der Klasse und der Disziplin ihrer Profis. Jeder Spieler kennt und akzeptiert seine Rolle im Team. Das Kollektiv scheint so gut zu harmonieren, dass Profis, die sich den Berlinern anschließen, dort regelmäßig besser werden. Ein gutes Beispiel ist Torwart Jake Hildebrand. Als der US-Profi 2023 nach Berlin kam, wurde gemäkelt, er sei nicht gut genug, da er zuvor hauptsächlich in der unterklassigen East Coast Hockey League aktiv gewesen war.

Nach dem Finale gegen Köln stehen nun drei Shut-outs in Serie, Zu-Null-Spiele, in seiner Statistik. Und das hat in der DEL vor ihm in einem Finale niemand geschafft. Oder US-Stürmer Ty Ronning, MVP des Playoff-Finals, der aus Ingolstadt verpflichtet wurde – und mit den deutschen Nationalspielern Leo Pföderl und Frederik Tiffels die beste Sturmreihe der Liga bildet. Von den 27 Finaltoren gingen zehn auf das Konto dieser Formation. Eventuell wird der Refrain von „Viva la vida“ die Haie-Profis künftig in ihren Albträumen verfolgen.

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